Situationsbeschreibung
Corona hat die Arbeitswelt schneller und nachhaltiger verändert, als wir uns das vor der Krise vorstellen konnten. Wir alle mussten lernen, anders zu arbeiten. Wir alle durften lernen, dass das nicht nur möglich ist, sondern auch oft mit größerer Produktivität und Zufriedenheit einher geht. Arbeiten von Zuhause oder von überall (Workation), digitale und hybride Meetings und Events haben sich vielfach bewährt und uns neue Arbeitswelten eröffnet.
Für die 360° Gastwelt (Tourismus, Travel, Gastromie, Hospitality, Gemeinschaftsverpflegung, Food & Beverage, Nonfood-Service) haben sich jedoch nicht nur positive Entwicklungen gezeigt. Das gesamte Ökosystem war überproportional hoch von der Abwanderung von Arbeits- und Fachkräften betroffen.
Es gibt dabei einen Widerspruch in der Außenwahrnehmung: Während Auszubildende aus der Gastwelt in anderen Branchen aufgrund ihres Skillsets äußerst gefragt sind, genießt die Arbeit in Betrieben der Gastwelt häufig keinen guten Ruf. Klischees wie unattraktive Arbeitszeiten, vergleichsweise geringe Bezahlung, fehlende Aufstiegschancen und geringe Wertschätzung belasten das Bild der Branche in der externen Wahrnehmung. Dabei hinkt diese Wahrnehnung oft der Realität hinterher: Viele Betriebe der Gastwelt reagieren bereits durch höhere Löhne und verbesserte Arbeitsbedingungen oder haben bereits vor Corona in ihre Mitarbeitenden investiert.
Der Arbeitskräftemangel verschärft die Situation weiter. Während die Gästezahlen steigen und teils bereits über Vor-Corona-Niveau liegen, sinkt die Zahl der Betriebe/Öffnungstage. Dies führt zu einem Ungleichgewicht, zu stärkerer Belastung der bestehenden Betriebe und ihres Personals und zugleich zu Unzufriedenheit bei den Gästen.
Dies hat aber auch weitere gesamtgesellschaftliche Folgen: Die Gastwelt erfüllt eine wichtige soziale und gesellschaftliche Aufgabe. Sie bietet Orte, Rahmen und Anlässe für soziale Begegnungen. Sie ermöglicht Urlaub, Erholung und Rekonvaleszenz. Sie bietet Auszeiten und Raum für persönliche Entwicklung und ermöglicht erfolgreiche Integration und Teilhabe. Sie erlaubt Menschen zusammenzukommen und gesellig zu sein, Zeit miteinander zu verbringen und neue Eindrücke zu gewinnen. Sie ermöglicht Völkerverständigung und Freundschaften über Grenzen hinweg und lebt Sie bietet unvergessliche gemeinsame Erlebnisse. Sie bietet Einsichten und Bildung. Der Care-Bereich versorgt täglich zigtausende Menschen z.B. in Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und Pflegeheimen.
Und nicht zuletzt ist die Gastwelt auch das wirtschaftliche Rückgrat ganzer Regionen, bietet Beschäftigung und Auskommen für Millionen von Menschen allein in Deutschland entlang der gesamten touristischen Wertschöpfungskette. Unser Leben wird überall dort ärmer, wo der Dorfkrug oder das Vereinsheim schließen, wo Reiseziele nicht mehr angeboten oder Veranstaltungen nicht mehr stattfinden können. Ohne Gastwelt veröden Innenstädte und Fußgängerzonen, sterben Volksfeste, Messen und Konzerte.
Der Mangel an Arbeits- und Fachkräften hat zu einem Paradigmenwechsel gesorgt: Unternehmen stehen nicht länger nur im Wettbewerb um Gäste und Kunden. Sie stehen vor allem auch im Wettbewerb um Mitarbeitende. Darauf müssen sich Unternehmen einstellen. Der demographische Wandel wird diese Situation in den kommenden Jahren weiter verschärfen.
Work-Life-Balance ist nicht nur ein Thema für die Generation Z, sondern gewinnt auch bei Arbeitnehmern Ü30 an Bedeutung. Die Bindung der jüngsten Generation auf dem Arbeitsmarkt an ihre Betriebe ist dabei so gering wie nie zuvor. Es müssen neue Incentives geschaffen werden. Arbeit muss sich verstärkt an Lebensphasen orientieren. Mit diesem Wandel muss man umzugehen lernen, will man für Arbeitnehmende jetzt und in Zukunft attraktiv bleiben.
Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, die Tranformation in die neue Arbeitswelt aktiv mitzugestalten, statt ihm passiv ausgeliefert zu sein.
Dazu braucht es ein klares Commitment der Gastwelt:
- Arbeiten in der Gastwelt muss deutlich attraktiver werden – bei Bezahlung und Arbeitsbedingungen.
- Arbeit in der Gastwelt braucht ein besseres Arbeitgeberimage.
- Arbeit in der Gastwelt bietet aber auch für Millionen Menschen erstklassige Zukunftsperspektiven und Chancen.
- Wir wollen Fairness, Transparenz und Gleichstellung.
- Wir wollen eine leistungsgerechte Bezahlung deutlich über dem Mindestlohn.
- Wir wollen die Gender Pay Gap als erste Industrie in Deutschland überwinden.
- Wir wollen durch Integration und Qualifikation unseren Beitrag leisten, Menschen aus dem In- und Ausland eine nachhaltige Zukunftsperspektive zu bieten.
- Wir wollen die soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit in der Gastwelt voranbringen.
In fünf Handlungsfeldern werden wir den Weg in die neue Arbeitswelt skizzieren und Anregungen liefern, wie diese sich gestalten könnte:
- Einwanderung
- Arbeitsbedingungen
- Ausbildung, Rekrutierung und Rückgewinnung
- Aufstiegschancen, Gleichstellung und Perspektiven
- Image und Eigenwahrnehmung
1. Handlungsfeld Einwanderung
Nur mit qualifizierter Einwanderung werden wir den Arbeitskräftemangel – vor allem kurz- und mittelfristig – nicht beheben können. Sie stellt aber einen wichtigen Baustein dar und wird mit dem demograhischen Wandel weiter an Bedeutung zunehmen. Deutschland steht hier im unmittelbaren Wettbewerb zu den europäischen Nachbarn. Und oftmals steht unser Land im Vergleich nicht sonderlich gut da: Zu bürokratisch, Sprachbarrieren, fehlende Willkommenskultur, Steuernachteile. Die Gastwelt kann hier unter Beweis stellen, dass Integration und Herzlichkeit für sie Kernkompetenzen und internationale Arbeitskräfte wohlwillkommen sind.
Handlungsoptionen für die Gastwelt:
- Willkommenskultur entwickeln und leben (im Betrieb und außerhalb)
- Sprache ist Grundvoraussetzung für Teilhabe: Sprachliche Qualifikation fördern
- Perspektiven für langfristige Karrierechancen schaffen (kommen, um zu bleiben)
- Gemeinsame Anwerbeaktionen und Imagekampagnen in den Herkunftsländern
Politische Stellschrauben:
- Einstufung touristischer Tätigkeiten als Mangelberuf für erleichtere Einwanderung
- Bedarf der Gastwelt berücksichtigen: Einwanderung auch ohne Berufserfahrung über Chancensäule ermöglichen, wenn ein Arbeitsvertrag vorliegt
- Zu hohe Gehaltsvoraussetzungen abbauen, keine Bindung an Rentenversicherungsgrenze (auf EU-Ebene) und keine zwingende Tarifbindung (national)
- Englisch (Level B1 oder A2) als Einwanderungsvoraussetzung ausreichend, wenn der Betrieb Weiterqualifikation macht.
- Ausbau der Kapazitäten zur Visaerteilung (Automatisierte Verfahren, z.B. via KI)
- Hilfe bei der Vermittlung von Wohnraum an Einwanderungswillige
2. Handlungsfeld Arbeitsbedingungen
Mitarbeitende in der Gastwelt genießen einen sehr guten Ruf. Sie sind krisenresilient, flexibel, belastbar, kompetent und freundlich. Entsprechend gerne werden sie von anderen Branchen abgeworben. Dies hat zur Folge, dass Unternehmen in einen Ausbildungsplatz hohe Investitionen tätigen (bis zu sechsstellig), davon aber nicht angemessen profitieren, wenn Mitarbeitende die Unternehmen kurz nach der Ausbildung verlassen. Die Gastwelt kann nur eingeschränkt auf Bedürfnisse wie kürzere Arbeitszeiten oder Homeoffice reagieren. Gute Arbeitsbedingungen, eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ein wertschätzendes Umfeld und zukunftsorientierte Weiterbildung sind Mittel, Abwanderung aktiv zu vermeiden. Geld ist nicht alles, es ist aber ein wichtiges Kriterium bei Karriereentscheidungen. In der Gastwelt sind die Gehälter vergleichsweise gering: Der durchschnittliche Stundenlohn in der Gastronomie liegt im April 2022 für Vollzeitkräfte bei 15,70 Euro1. Im Dienstleistungsgewerbe liegt der Durchschnitt bei 24,67 EUR. Eine derart große Gehaltslücke ist ein gewichtiges Aussschlusskriterium bei der Berufswahl. Vor allem die Einstiegsgehälter müssen steigen, um die Gastwelt konkurrenzfähig zu halten. Höhere Löhne verursachen höhere Kosten, die kompensiert werden müssen. Sie können aber auch kostensparend wirken, wenn dadurch eine hohe Fluktuation in der Belegschaft verhindert wird, denn die Kosten für das Onboarding neuer Mitarbeitender sind hoch.
Die Wünsche und Bedürfnisse der Arbeitnehmer sollte man ernstnehmen und den Wandel zulassen und ermöglichen. Automation und Digitalisierung bieten stetig wachsende Einsatzmöglichkeiten bei standardisierten oder schweren körperlichen Tätigkeiten. Die Vier-Tage-Woche ist in aller Munde, hier müssen variable Modelle auch politisch ermöglicht werden, die den unterschiedlichen Bedürfnissen von Unternehmen und Beschäftigten gerecht werden. Monats- oder Jahresarbeitszeitkonten erlauben Flexibilität für beide, wie z.B. eine an die aktuellen Lebensverhältnisse angepasste Arbeitszeit.
Aus der Änderung der Arbeitswelt ergeben sich auch konkrete Chancen. Nachhaltigkeit ist ein wichtiger werdendes Kriterium für Gäste. Soziale Nachhaltigkeit schafft nicht nur größere Zufriedenheit bei den Arbeitnehmern und eine höhere Bindung an das Unternehmen, sie kann auch als Marketingfaktor genutzt werden. Nicht zuletzt erlauben bessere Arbeitsbedingungen ggf. auch den Wechsel von Teilzeitkräfte in die Vollzeit.
Die Gastwelt kann jungen Menschen auch viel bieten. Sie kann Lebensführungsskills vermitteln und Arbeitnehmenden die Chance bieten, Arbeit im Einklang mit den eigenen Werten zu gestalten. Arbeit soll nicht allein der Preis sein, den man zahlen muss, um sein Leben zu finanzieren, sondern die Möglichkeit für eine sinnstiftende und erfüllende Arbeit eröffnen.
1 Quelle Destatis, Stand April 2022. Der Durchschnittslohn gilt für Vollzeitkräfte und ist ohne Sonderzahlungen wie Urlaubs-, Weihnachtsgeld oder Prämien berechnet. Auch etwaige Trinkgelder sind nicht berücksichtigt. Sonderzahlungen (SZ) scheinen in der Gastwelt weniger üblich zu sein als im sonstigen Dienstleistungsgewerbe. So ergibt sich für 2021 im Gastgewerbe ein Durchschnittsstundenlohn von 16,57 inkl. SZ (15,30 ohne SZ). Im Dienstleistungsbereich lag der Stundenlohn durchschnittlich bei 28,37 inkl. SZ (24,39 ohne SZ). Quelle: Statista, Stand 4. Quartal 2022.
Handlungsoptionen für die Gastwelt:
- Klares Commitment aller Betriebe der Gastwelt: Dauerhaft weitere Anhebung der Gehälter (vor allem im Einstiegsbereich), sodass die Gehaltshöhe im Vergleich zu anderen Dienstleistungsbranchen kein Ausschlusskriterium mehr ist. Als Orientierung dient das ortsübliche Durchschnittsgehalt. Der Einstiegs-Stundenlohn sollte stets mindestens zwei Euro über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen, um hier ein klares Signal zu setzen.
- Transparenz bei den Gehältern innerhalb der Betriebe
- Keine unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern (No Gender Pay Gap)
- Gute Arbeit ist ihr Geld wert, Wertschätzung der Arbeit in der Gastwelt muss auch bei den Gästen steigen
- Anreizsystem für Mitarbeitende, das Loyalität und langjährige Beschäftigung belohnt
- Evaluierung in den Betrieben: Welche Bedürfnisse, welche Stärken, Vorlieben und Schwächen haben die Arbeitnehmenden? Wo
liegt Überforderung vor? Welche Aufgaben sind verzichtbar, ohne dass die Qualität signifikant sinkt? Wie lassen sich
Arbeitszeiten arbeitnehmerfreundlicher und flexibler gestalten, ohne dass das auf Kosten des Betriebs geht? Lassen sich
unliebsame Aufgaben automatisieren oder optimieren?
- Erhöhung der Effizienz, um Stunden einzusparen. Wichtig: Diese darf nicht auf Kosten der Arbeitnehmer oder der Qualität gehen.
- Arbeitsprozesse überprüfen und optimieren, Unnötiges Arbeitsintensives über Bord werfen (Beispiel Mini-Bar auf jedem Zimmer, tägliche Reinigung des Zimmers)
- Einsatz KI, Automation, Robotik, um zu entlasten
- Alternatives Wochenende garantieren (Statt Sa/So z.B. So/Mo oder Mo/Di)
- Vier-Tage-Woche in der Gastwelt: Vier Tage sind nicht automatisch 32 h. Stunden erhalten durch attraktive Überstundenregelung (oder flexible Wochenarbeit von bis zu 48 Stunden/Woche nach EU-Regelung). Evaluierung, in welchen Bereichen eine Verkürzung möglich und wo Präsenz notwendig ist. Einen Tag schließen, um Vier-Tage-Woche zu ermöglichen, wenn betriebswirtschaftlich möglich
- Angebot einer Kinderbetreuung durch Verbund von Arbeitgebern einer Gemeinde/Region, die den Bedürfnissen der Arbeitnehmer in der Gastwelt gerecht wird (Spät- und Nachtdienst, Wochenenddienst)
- Teilzeitkräfte (Studenten, Rentner, Erziehende) bieten Entlastung und erleichtern Flexibilisierung
- Wertschätzendes Arbeitsklima schaffen, Anerkennungskultur etablieren
- Fairness-Siegel, Fairness-Kampagne für sozial nachhaltige Betriebe
- Mangel an bezahlbarem Wohnraum durch Mitarbeiterwohnungen begegnen, ggf. durch Kooperation mehrerer regionaler Betriebe und Änderungen im Steuerrecht
- Mobilität in strukturschwachen Regionen durch Betriebsfahrzeuge (Fahrrad, Moped, E-Auto, Shuttles) ermöglichen, ggf. in Kooperation mit anderen Betrieben oder Aufbau eines regionalen nachhaltigen Mobilitätsnetzwerks in einer Destination, das Mitarbeitern und Gästen zur Verfügung steht
- Weitere Benefits, wie Rabatte für Mitarbeiter in Betrieben einer touristischen Region, Mitarbeiterevents (auch betriebsübergreifend)
Politische Stellschrauben:
- Dauerhafte Mehrwertsteuersenkung auf Speisen schafft Spielraum für Lohnerhöhungen (vor allem bei Einstiegsgehältern), gekoppelt an Selbstverpflichtung (Kampagne: „Ich bin dabei“)
- Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit/Jahresarbeitszeit, die nicht nur den Unternehmen, sondern auch den Arbeitnehmern nützt, indem sie den unterschiedlichen Bedürfnissen der Arbeitnehmenden je nach Lebensphasen Rechnung trägt
- Ausweitung des möglichen Beschäftigungszeitraums für kurzfristige Beschäftigte, z.B. für alle Arbeitnehmenden, die nicht auf den Minijob zur Existenzsicherung angewiesen sind
- Steuerfreiheit für Zuschläge bei Nacht- und Wochenendarbeit auch an Samstagen
- Kommunen/öffentliche Auftraggeber als Vertragspartner müssen bereit sein, eine Erhöhung der Gehälter mitzutragen
- Abbau von Überbürokratisierung (Vertrauensarbeitszeit statt Arbeitszeiterfassung)
- Wettbewerbsnachteile zum EU-Ausland abbauen: z.B. Abschaffung des geldwerten Vorteils für Arbeitnehmende, die eine Mitarbeiterwohnung in Anspruch nehmen, Einführung der Umsatzsteuerverechnung beim Bau von Mitarbeitendenwohnungen durch die Arbeitgebenden, Busführerschein EU-weit harmonisieren
3. Handlungsfeld Potenziale wecken: Ausbildung, Rekrutierung und Rückgewinnung von Beschäftigten
Angesichts der demographischen Entwicklung und den Grenzen von Zuwanderung ist es unerlässlich, zusätzliches Potenzial zu wecken. Dazu muss das eigene Unternehmen konstruktiv-kritisch betrachtet werden: Stimmt die Unternehmenskultur mit den Erwartungen/Bedürfnissen potenzieller Arbeitnehmer/Auszubildender überein? Falls nein, ist eine Änderung sinnvoll/möglich? Gen X hat andere Vorstellungen von der Arbeitswelt als Gen Z. Und selbst in älteren Generationen verschieben sich die Werte und Bedürfnisse. Ziel muss es sein, Arbeit in Einklang mit diesen Werten zu ermöglichen und Kompromisse zu erzielen.
Schulabgänger müssen die Gastwelt wieder als attraktive Karrierechance für Ausbildung oder Studium wahrnehmen. Dabei können die Stärken der Gastwelt gespielt werden: abwechslungsreiches Tätigkeitsfeld, Kontakt mit Menschen, vielfältige Eindrücke, wertvolle Skills, Arbeit im Ausland und nicht zuletzt ein sicherer Arbeitsplatz, der weder verlagert, noch durch KI ersetzt werden kann.
Der technologische Fortschritt (KI) wird aber Berufsbilder und Ausbildungsanforderungen nachhaltig verändern. Es wäre deshalb wünschenswert, wenn die duale Ausbildung flexibler und modularer gestaltet werden könnte, um den unterschiedlichen Bedürfnissen und sich wandelnden Anforderungen gerecht zu werden.
Handlungsoptionen für die Gastwelt:
- Bessere Vergütung bei der dualen Ausbildung
- Mentoringprogramme
- Bessere Arbeitsbedingungen (Wertschätzung, garantierte Übernahme bei Abschluss)
- Berufsorientierung an Schulen durch Experten der Gastwelt, Angebot von Praktika an Schüler in den Abschlussjahrgängen/Oberstufe, Angebot von Ferien- und Wochenendarbeit
- Stärkung der Studiengänge
- Ausbildungsplätze für duales Studium anbieten
- Auslandssemester/-praktika anbieten
- Austauschprogramme zwischen Betrieben
Ein weiterer Baustein ist die Rückgewinnung von ausgeschiedenem Personal, z.B. in andere Branchen abgewanderte Arbeitnehmer, Frauen, die in Familienzeit gegangen sind, Quereinsteigern aus anderen Berufen sowie Rentnern. Die Generation Ü50 zeigt sich zunehmend wechselfreudig. Die Gastwelt kann sich hier durch neue Herausforderungen und ein wertschätzendes Umfeld profilieren. Auch Inklusion ist ein Thema: Arbeit schafft Teilhabe für Menschen mit Behinderung, auch in nicht-spezialisierten Betrieben. Auch Geflüchtete bieten Potenzial und finden Chancen in der Gastwelt.
Angesichts des wachsenden Wettbewerbs um Arbeitskräfte ist es außerdem unerlässlich, Arbeitskräfte auch dort zu rekrutieren, wo es mit höherem Aufwand verbunden ist, z.B. unter Langzeitarbeitslosen oder Schulabbrechern. Wenn es gelingt, aus beiden Gruppen auch nur 5 Prozent für die Arbeit zu gewinnen und zu qualifizieren, wären die Arbeitskräftesorgen der Gastwelt weitgehend gelindert.
Lösungsansätze für die Gastwelt:
- Ausgeschiedene Arbeitskräfte können durch bessere Bedingungen und einen Imagewandel von einer Rückkehr überzeugt werden
- Spezifische Anwerbeprogramme für die jeweiligen Zielgruppen
- Arbeit schafft Teilhabe: Ruheständler finden in der Gastwelt eine sinnstiftende (Teilzeit)Tätigkeit. Die Arbeit mit Menschen ist ein Incentive für diese Zielgruppe
- Teilnahme an Programmen wie der Allianz für Aus- und Weiterbildung
Politische Stellschrauben:
- Ausbau der Zusammenarbeit zwischen Betrieben und Behörden in Projekten, um Menschen mit Behinderung, Langzeitarbeitslose, Geflüchtete oder Menschen ohne Schulabschluss ins Berufsleben einzugliedern und dort erfolgreich zu halten
- Finanzielle Unterstützung von Ausbildungsbetrieben bei den Kosten für die Ausbildung von Menschen unter 25
- Betriebe bei Befähigung von Minderqualifizierten (fehlende Schlüsselkompetenzen, physische und psychische Defizite, Bildungslücken) unterstützen
- Finanzielle Förderung von mittelständischen Betrieben, die sich an der Qualifizierung und Eingliederung beteiligen
4. Handlungsfeld Aufstiegschancen, Gleichstellung und Entwicklungsmöglichkeiten
Lebenslanges Lernen ist nicht nur eine Pflicht, sondern auch Wunsch vieler Arbeitnehmenden. Verborgene Potenziale zu wecken und das eigene Personal zu fördern, muss ein Kernanliegen der Gastwelt sein. Arbeit in der Gastwelt muss Karrierechancen eröffnen, um die Attraktivität zu erhöhen. Besonderes Potenzial bietet sich in der Förderung von Frauen, die immer noch überproportional in Teilzeit oder – durch familiäre Umstände bedingt – in bestimmten Lebensphasen gar nicht tätig sind. Frauen sind auch in der Gastwelt in Führungspositionen unterrepräsentiert.
Als großes verbindendes Ziel bietet sich an, die Gender Pay Gap in der Gastwelt zu nivellieren.
Arbeitnehmende, die Verantwortung tragen und in die Entscheidungsprozesse von Unternehmen miteinbezogen sind, sind motivierter und loyaler. Auch die finanzielle Mitarbeiterbeteiligung bietet Optionen für eine größere Identifikation mit dem Unternehmen.
Handlungsoptionen für die Gastwelt:
- Selbstverpflichtung: Die Gastwelt soll die erste Industrie in Deutschland werden, in der es keine Gender-Pay Gap mehr gibt
- Gezielte Förderung von Frauen für Führungsposten
- Fortbildungsverpflichtung für Führungskräfte
- Weiterbildung/Qualifizierung für Arbeitnehmer insbesondere in zukunftsträchtigen Bereichen wie Digitalisierung
- Eine eigene Akademie von der Gastwelt für die Gastwelt
- Vermittlung nicht nur von Inhalten, sondern von Skills (digitale, persönliche und emotionale Skills)
- Austauschprogramme: Workation im Ausland bei Partnerunternehmen
- Neustrukturierung von Unternehmen für bessere Einbeziehung der Mitarbeiter in unternehmerische Entscheidungen
- Angebot von Mitarbeiterkapitalbeteiligung
5. Handlungsfeld Image und Eigenwahrnehmung
Last but not least: Image und Eigenwahrnehmung müssen stimmen, um Menschen für die Arbeit in der Gastwelt zu begeistern. Das gesamte Ökosystem leistet viel und kann viel bieten. Sie hat ihre Resilienz in Krisen eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Im Vordergrund sollten nicht die schwarzen Schafe, sondern die vielen guten Betriebe in unserem Land stehen. Der Arbeitskräftemangel stellt für Betriebe eine Möglichkeit dar, sich zu profilieren und den Wettstreit um Arbeitskräfte für sich zu entscheiden. Der daraus entstehende Druck kann zu einem positiven Wandel in der gesamten Gastwelt führen.
Handlungsoptionen für die Gastwelt:
- Umsetzung einer einer gemeinsamen, bundesweiten, brachenübergreifenden Imagekampagne für die Gastwelt z.B. nach dem Vorbild der „Gastro Family“
- Die Gastwelt als Vorreiter bei Nachhaltigkeit, um Verantwortung zu zeigen und Tourismus zukunftsfest zu gestalten, indem Naturräume, Wirtschaftsstärke und soziales Zusammenleben erhalten und gestärkt werden
- Durch gemeinsame und koordnierte Öffentlichkeitsarbeit das Image der Gastwelt in Politik und Öffentlichkeit verbessern, soziale Bedeutung von Freizeit, Urlaub, Gastlichkeit, Kultur und Dienstleistung herausstellen und wirtschaftliche Bedeutung vermitteln
- Aktive Berichtigung des Images der Gastwelt durch Good Practice-Beispiele, z.B. in Social Media Kampagnen